Street-Art, wo man geht und steht

Outdoor-Galerie Dublin 

Planen muss man diesen Rundgang nicht, denn überall sticht sie einem ins Auge: die Straßenkunst der Dubliner Künstler. Ich biege um eine unscheinbare Ecke in Rathmines und staune. An einer Hauswand in der Richmond Hill prangt ein knallig buntes Coronavirus, ein riesengroßes, präzise ausgearbeitetes Gemälde in leuchtenden Farben. Auf einem Stromkasten finde ich nach ein paar Stationen mit dem Bus Georg Friedrich Händel in Bonbontönen. An Mauern, in schmalen Gassen, auf dem Boden, überall Kunst. Das einst eintönige Dublin wird bunt!

Selbst ins Museum hat es die Street-Art geschafft, und vor allem Temple Bar ist voll davon. Kein Wunder, dass man den Stadtteil auch als Cultural Quarter bezeichnet, kulturelles Viertel. Die Fassade des Blooms Hotels an der Ecke Anglesea und Cope Street ist vollständig von einem Werk des Designers James Early bedeckt. Acht Monate arbeitete er am größten öffentlichen Kunstwerk Irlands.

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Dublin

Dublin, Hauptstadt von Irland, ist definitiv einen Städtetrip wert! Historische Gebäude, lebhafte Einkaufsstraßen sowie zahlreiche urige Pubs prägen Dublins Zentrum.

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Die wichtigsten Charaktere aus James Joyce’ Ulysses sind darauf in psychedelischen Farben versammelt: Leopold Bloom, Molly, Stephen Dedalus, Blazes und Buck Mulligan. Dass das Bild an die Jugendstil-Gemälde Alphonse Muchas erinnert, ist kein Zufall. Early ließ sich von ihm inspirieren, spielt doch Ulysses in dessen Zeit, am 16. Juni 1904, um genau zu sein.

Die ganze Stadt ist eine Outdoor-Galerie, die die Werke ihrer besten Künstler an jeder Ecke präsentiert. Oder an jeder einigermaßen geeigneten Wand.

Street Art
Street Art in Dublin, Irland.

Subset beispielsweise, ein Kollektiv verschiedener Künstler aus den Sparten Kunst, Design und Film, hat das Grey Area Project ins Leben gerufen. Farbe auf die grauen Mauern Dublins! Und was für welche. Climate III in Temple Bar zeigt einen Fisch in der Falle, gefangen in einer Plastiktüte. Das auffallende, plakativ gestaltete Mural ist Teil der Klimakampagne und wendet sich speziell gegen Plastikmüll. Ebenfalls von Subset: An der Fleet Street Ecke Tesco prangt ein Gemälde, wo aus dem weißen Kopf des griechischen Philosophen Epiktet ein bunter Regenbogen wächst: »Don’t worry, be happy« steht daneben in einer Denkblase zu lesen. Eine lebensechte Zeichnung in Schwarz-Weiß von Tien Le zeigt einen Frauenkopf mit lockigen Haaren am Laden Siopaella (8, Cecilia Street). Ich fühle mich durchschaut von ihrem eindringlichen Blick und kann mich gar nicht losreißen.

In der Drury Street mitten im Zentrum dienen die Fassaden als eine Art Leinwand für Gemälde, die die Künstler immer wieder neu »interpretieren«. Was ich gestern entdeckt habe, kann heute schon wieder ganz anders aussehen – oder verschwunden sein. Parallel zur Drury verläuft die Great George’s Street South, wo das fotorealistische Marriage Referendum Mural von Joe Caslin prangte: Zwei sich innig umarmende Männer schienen förmlich aus der Mauer zu treten. Der Anlass: Im Mai 2015 legalisierte Irland nach einer Volksabstimmung als erstes Land der Welt die Heirat zwischen gleichgeschlechtlichen Partner*innen.

Dublins Outdoor-Kunst ist politisch, radikal, aufrüttelnd, eindrücklich und einfach schön. Sogar ins Museum hat sie es geschafft. Caslins überlebensgroßes Werk Finding Power prangt im Lichthof der National Gallery of Ireland.

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